1865 scheiterte die Achsenplanung dann am Bau des Görlitzer Bahnhofs.
Zu diesem Zeitpunkt wurden die Wiener und die Reichenberger Straße verbreitert. Die Skalitzer Straße wurde durch Umbau und Verbreiterung zu einem bürgerlichen Boulevard umgestaltet.
Der Görlitzer Bahnhof als wichtiger Umschlagplatz machte das Gebiet zu einem bevorzugten Gewerbestandort und Arbeiterwohngebiet.
1867 wurde die Bahnstrecke Berlin – Görlitz eröffnet. Im selben Jahr brach man die Zollmauer ab und die Bebauung rund um den Görlitzer Bahnhof begann.
Wenige Jahre später entstand plötzlich durch Zuwanderung arbeitsloser Landarbeiter eine katastrophale Wohnungsnot; etwa 55. 000 Zuwanderer kamen 1871, ein Jahr später noch einmal 53.000.
In der Folge wurde 1871 am Kottbusser Tor die erste Barackensiedlung eingerichtet. Die Mietpreise stiegen in den zehn Jahren zwischen 1862 und 1872 um mehr als 90 Prozent.
Gleichzeitig wurden die Grundstückspreise teurer. Das veranlasste etliche Unternehmer, sich mit Bauland einzudecken und den Massenwohnungsbau geschäftsmäßig zu organisieren.
Der erste Bauboom setzte Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts ein. Der zweite folgte ab 1883.
Von 1874 bis 1878 wurde die Wrangel- Kaserne gebaut. Heute ist sie ein Oberstufenzentrum.
Zu dieser Zeit wurden die restlichen Grundstücke der Oppelner- und Wrangelstraße bebaut. Es entstanden die Falckenstein-, Cuvry- und Taborstraße. Durch die Verlängerung von Görlitzer- und Wrangelstraße bis hin zum Görlitzer Ufer entstand das „Schlesische Viertel“.
Die Bauzeit für ein Wohnhaus betrug in der Regel ein halbes Jahr. Wie Paul Haberkern es bei seinen Gebäuden in der Sorauerstraße handhabte, so beschränkten sich auch andere Bauherren bei der Ausstattung ihrer Häuser (vor allem in den Seitenstraßen) auf das notwendige Mindestmaß.
Es wurden fast ausschließlich Ein- Zimmer- Wohnungen gebaut, in den Vorderhäusern meist vier auf eine Etage.
In den Übergängen vom Seitenflügel zum Quergebäude entstanden dunkle „Kochstuben“, Einzimmerwohnungen ohne separate Küche. Toiletten gab es zunächst nur auf dem Hof, später wurden sie in oder an die Treppenhäuser verlegt.
Die ersten beiden Schulen wurden 1872 zwischen der Schlesischen Straße und der Wrangelstraße gebaut.
In den Folgejahren kamen noch die Gemeindeschulen Skalitzer Straße und Görlitzer Ufer hinzu.
Auf dem Grundstück Zeughofstraße 6- 7 wurde ein großes Fabrikgebäude für die Produktion von Telegraphen errichtet. Damit war der Grundstein für die Deutschen Telefon Werke (DeTeWe) gelegt.
1898 bekam die neue katholische Gemeinde ihre erste Kirche: die Liebfrauenkapelle in der Wrangelstraße 50- 51 wurde errichtet. Die heutige Liebfrauen- Basilika wurde 1904 erbaut.
Nach sechsjähriger Bauzeit nahm am 28. Februar 1902 die erste U- Bahn Deutschlands ihren Betrieb auf. Sie verläuft noch heute als Hochbahn entlang der Skalitzer Straße.
Die letzte Baukonjunktur war zwischen 1896 und 1900. 1910 war die Bebauung Kreuzbergs schließlich abgeschlossen.
Abgesehen von denen östlich des Lausitzer Platzes waren nun keine Freiflächen mehr vorhanden.
Ab sofort wurden Gewerbebetriebe im bis dahin unbebauten Inneren der Wohnblöcke eingerichtet, die Wohnnutzung verdichtete sich. Das noch verbliebene Bürgertum (Akademiker, Beamte, Offiziere) wohnte nur noch in den repräsentativen Blockecken.
1914 verschwanden die Soldaten und kehrten nach 1918 auch nicht wieder zurück. Die Garderegimenter wurden aufgelöst.
Nach der Verwaltungsreform 1920 entstand der Verwaltungsbezirk Kreuzberg.
Die Weltwirtschaftskrise 1929 bewirkte auch in Berlin- Kreuzberg Massenarbeitslosigkeit. Wohnungen konnten nicht bezahlt werden, es kam zu Räumungsklagen. Bis 1939 stiegen bei gleich bleibendem Wohnraum die Einwohnerzahl und Wohnungsdichte Kreuzbergs. Der Wohnraum wurde geteilt. Da die Häuser nicht instand gesetzt wurden, lebten die Mieter wieder in katastrophalen Verhältnissen.